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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 04.05.2004
Aktenzeichen: 5 K 1348/03
Rechtsgebiete: AO
Vorschriften:
AO § 355 Abs. 1 Satz 1 |
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vom 19. August 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2003 und begehren die Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit.
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2001 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die erstmalige Veranlagung für 2001 erfolgte mit Bescheid vom 19. August 2002. Der damalige Verfahrensbevollmächtigte der Kläger führte in seinem Schreiben an den Beklagten vom 29. August 2002 Folgendes aus:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
gegen den von Ihnen am 19. August 2002 ausgestellten Einkommensteuerbescheid 2001 lege ich hiermit im Auftrage der Steuerpflichtigen Einspruch ein. Der Einspruch richtet sich gegen die Festsetzung eines Kirchgeldes für die Ehefrau. Frau S. E. (die Klägerin, Anm. d. Neutralisierenden) hat im ganzen Jahr 2001 in D gelebt und dort ihren einzigen Wohnsitz gehabt. In Nordrhein-Westfalen wurde in 2001 in sämtlichen Kirchen kein Kirchgeld erhoben. Ich bitte deshalb, dass festgesetzte Kirchengeld in voller Höhe wieder aufzuheben und an die Steuerpflichtige zu erstatten."
Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 5. September 2002, dass mit dem Schreiben vom 29. August 2002 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 eingelegt worden sei. Die Einwendungen richteten sich gegen die Festsetzung eines Kirchgeldes für die Klägerin. Der richtige Rechtsbehelf wäre der Widerspruch gegen die Kirchensteuerfestsetzung gewesen. Der Einspruch werde deshalb als Widerspruch gegen den Kirchensteuerbescheid behandelt. Der Beklagte bat des Weiteren um Mitteilung, ob der Widerspruch zurückgenommen oder aufrecht erhalten werde. Um Rückantwort bis zum 4. Oktober 2002 wurde gebeten. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2002 wurde - da bislang keine Beantwortung erfolgt war - um Erledigung und Antwort bis zum 30. Oktober 2002 gebeten.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2002 zeigte der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der Kläger an, dass er die Bearbeitung des Einspruchsverfahrens der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 übernommen habe.
Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 werde weiter aufrecht erhalten. Gemäß dem mit dem Beklagten und Herrn F des Büros H geführten Telefonats werde gebeten, dass festgesetzte Kirchgeld nur mit 540 DM anzusetzen. Weiterhin richte sich der Einspruch gegen die vom Beklagten angesetzten Umzugskosten, wonach nur für 2 Tage Wohnungssuche ein Ansatz von Werbungskosten erfolgt sei.
Der Beklagte teilte dem Verfahrensbevollmächtigten der Kläger mit, seinem Antrag auf Herabsetzung des Kirchgeldes werde entsprochen. Seinem Begehren hinsichtlich der Werbungskosten könne allerdings nicht entsprochen werden. Des Weiteren wies der Beklagte auf die Möglichkeit der Einspruchsrücknahme in diesem Punkt hin. Nach weiterem Schriftwechsel wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2003 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 3. März 2003 haben die Kläger Klage erhoben.
Auf den Hinweis des Gerichts, dass der Einspruch gegen den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 19. August 2002 nicht fristgerecht eingelegt worden sei, da der "Einspruch" vom 29. August 2002 sich ausdrücklich nur "gegen die Festsetzung eines Kirchgeldes für die Ehefrau" gerichtet habe und es sich somit nicht um einen Einspruch sondern um einen Widerspruch gegen die Kirchensteuerfestsetzung gehandelt habe, erklärte der Prozessbevollmächtigte der Kläger, dass mit Schreiben vom 29. August 2002 Einspruch eingelegt worden sei. Auf Grund dieses Einspruchs sei das Schreiben des Finanzamtes vom 5. September 2002 ergangen, wonach dieses den Einspruch als Widerspruch gegen die Kirchensteuerfestsetzung habe behandeln wollen. Nachdem die Bearbeitung des Mandanten auf ihn, den Prozessbevollmächtigten, übergegangen sei, habe er in seinem Antwortschreiben vom 17. Oktober 2002 richtig gestellt, dass sich der Einspruch nicht nur gegen das fälschlich festgesetzte Kindergeld richte, sondern weiterhin auch gegen die vom Beklagten nicht anerkannten erhöhten Umzugskosten. Auf Grund dieses Schreibens habe der Beklagte das Verfahren weiterhin als Einspruch behandelt und hierzu mit seinem Schreiben vom 22. Oktober 2002 Stellung genommen. In der Rechtsbehelfsbelehrung zum Einkommensteuerbescheid 2001 sei aufgeführt, dass die Festsetzung der Einkommensteuer sowie der Solidaritätszuschlags mit dem Einspruch angefochten werden könne, gegen die Festsetzung der Kirchensteuer sei der Widerspruch gegeben sei. Mit der Wahl des Wortes "Einspruch" im Schreiben vom 29. August 2002 werde somit der gesamte am 19. August 2002 ausgestellte Einkommensteuerbescheid 2001 aufgegriffen. Der Beklagte habe die Angelegenheit danach auch ohne Weiteres als Einspruch behandelt und auch seine Einspruchsentscheidung in vollem Umfang auf die Sachverhaltsdarstellung der Kläger ausgerichtet. Insofern seien alle Verfahrensbeteiligten bisher davon ausgegangen, dass ein Einspruch auch ein Einspruch sei mit all seinen rechtlichen Konsequenzen und nicht ein Widerspruch.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 19. August 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2003 zu ändern und die Einkommensteuer so festzusetzen, wie sie sich ergibt, wenn weitere Umzugskosten für 20 Fahrten von D ins Rhein-Main-Gebiet bei ... sowie die damit verbundenen Verpflegungsmehraufwendungen in Ansatz gebracht werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertieft und ergänzt sein bisheriges Vorbringen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Gründe
Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 90 Abs. 2 FGO), ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klage ist zwar form- und fristgerecht erhoben und erfüllt die Zulässigkeitsvoraussetzungen. Insbesondere fehlt es nicht an einem erfolglosem Vorverfahren, das § 44 FGO für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage vorschreibt. Denn inwieweit ein Vorverfahren zulässig war, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage (BFH-Urteile vom 11. Oktober 1997 VII R 73/74, BFHE 124, 1, BStBl II 1978, 154 und vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 70, BStBl II 1984, 791). Die Zulässigkeit der Klage trotz Versäumung der Einspruchsfrist führt allerdings nicht dazu, dass in einem solchen Fall das Klagebegehren in vollem Umfang sachlich-rechtlich nachgeprüft werden darf. Stellt sich im finanzgerichtlichen Verfahren die Unanfechtbarkeit des den Gegenstand des Verfahrens bindenden Bescheides heraus, so ist vielmehr die Klage ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen. Die fristgerechte Einlegung des Einspruchs stellt somit eine bei der Sachentscheidung zu beachtende materiell-rechtliche Vorfrage dar (BFH, Urteil vom 24. Juli 1984 a.a.O.).
Im Streitfall ist die Klage mithin unbegründet, weil der Einkommensteuerbescheid für 1991 vom 19. August 2002 zum Zeitpunkt des erstmals als Einspruch zu wertenden und vom Beklagten auch so gedeuteten Schreibens des Verfahrensbevollmächtigten der Kläger vom 17. Oktober 2002 bereits bestandskräftig geworden war:
Die Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs beträgt einen Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (§ 355 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung -AO-). Der Einkommensteuerbescheid vom 19. August 2002 gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, mithin am 21. August 2002. Selbst wenn geltend gemacht werden sollte, dass der Steuerbescheid zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sei (vgl. § 122 Abs. 2 AO), ist davon auszugehen, dass er spätestens am 29. August 2002 bekannt gegeben wurde. An diesem Tag fertigte der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Kläger nämlich sein Schreiben (vom 29. August 2002), mit dem er sich gegen die Kirchensteuerfestsetzung in diesem Einkommensteuerbescheid wandte. Spätestens am 29. September 2002, nämlich einen Monat nach diesem Zeitpunkt (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) ist die Einspruchsfrist somit abgelaufen. Erst mit Schreiben des jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Kläger vom 17. Oktober 2002, am gleichen Tag beim Beklagten eingegangen, wurde hingegen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 19. August 2002 eingelegt.
Dem Einwand der Kläger, bereits mit Schreiben vom 29. August 2002 sei Einspruch eingelegt worden, kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:
In dem Schreiben vom 29. August 2002 führte der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Kläger zwar aus: "Gegen den von Ihnen am 19. August 2002 ausgestellten Einkommensteuerbescheid 2001 lege ich hiermit im Auftrage der Steuerpflichtigen Einspruch ein". Die nachfolgenden Ausführungen des früheren Verfahrensbevollmächtigten in diesem Schreiben belegen jedoch, dass er nicht "Einspruch" sondern Widerspruch gegen die Kirchensteuerfestsetzung erheben wollte und dementsprechend auch erhoben hat. Der frühere Verfahrensbevollmächtigte führte nämlich aus:
"Der Einspruch richtet sich gegen die Festsetzung eines Kirchgeldes für die Ehefrau. Frau S. E. hat im ganzen Jahr 2001 in D gelebt und dort ihren einzigen Wohnsitz gehabt. In Nordrhein-Westfalen wurde in 2001 in sämtlichen Kirchen kein Kirchgeld erhoben. Ich bitte deshalb, dass festgesetzte Kirchgeld in voller Höhe wieder aufzuheben und an die Steuerpflichtige zu erstatten."
Diese Ausführungen des früheren Verfahrensbevollmächtigten der Kläger belegen eindeutig, dass nur eine Änderung der Kirchensteuerfestsetzung beantragt war und es sich somit um einen Widerspruch gegen die Kirchensteuerfestsetzung handelte. Dies wurde auch vom Beklagten so gesehen, wie sein Schreiben vom 5. September 2002 belegt, in dem u.a. ausgeführt wird, dass der "Einspruch" als Widerspruch gegen den Kirchensteuerbescheid behandelt werde. Der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Kläger wurde in diesem Schreiben auch nur gebeten, mitzuteilen, ob sein Widerspruch gegen die Kirchensteuerfestsetzung zurückgenommen oder weiterhin aufrecht erhalten werde. Ein Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 19. August 2002 lag somit auch aus Sicht des Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Der Hinweis des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 17. Oktober 2002, der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 werde weiter aufrecht erhalten, geht somit ins Leere, da zu diesem Zeitpunkt kein Einspruch eingelegt worden war. Erstmals dieses Schreiben vom 17. Oktober 2002 kann als Einspruch ausgelegt werden. Zu diesem Zeitpunkt, am 17. Oktober 2002, war die Einspruchsfrist allerdings - wie dargelegt - bereits abgelaufen, der Einspruch somit verfristet. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) sind weder ersichtlich noch vorgetragen, obwohl das Gericht mit Schreiben vom 2. Februar 2004 auf die Verfristung des Einspruchs hingewiesen hat.
Die Bestandskraft des Verwaltungsaktes hat die Abweisung der Klage schon aus diesem Grund ohne weitere Sachprüfung zur Folge (BFH, Urteil vom 20. September 1989, X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl II 1990, 177).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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